© Myke Sena/WWF Brasilien
Was unser Fleischkonsum im brasilianischen Cerrado anrichtet
Von Brandrodungen, Abholzung und Landraub
Während jede:r den Amazonas mit seinen Flüssen und Regenwäldern kennt, ist sein Nachbar fast völlig unbekannt: der Cerrado. Das ist eine riesige Savannenregion im Zentrum Brasiliens, die im Süden und Osten an den Amazonas grenzt.
Das Gebiet des Cerrados ist über zwei Millionen Quadratkilometer groß. Das ist beinahe 24 mal so groß wie die Fläche Österreichs. Und die Region spielt eine sehr wichtige Rolle für die Biodiversität: Die Flüsse, die aus dem Cerrado entspringen, versorgen auch den Amazonas mit Wasser. Der Cerrado ist zudem eine wahre Schatzkammer der Arten. 5% aller Tier- und Pflanzenarten auf unserer Welt sind hier zuhause, von denen einige nur mehr in dieser Region vorkommen.
%
des Cerrados sind bereits zerstört
Naturparadies in Flammen wegen Sojaproduktion
Doch leider wird der Cerrado durch die industrielle Landwirtschaft massiv zerstört. Bereits die Hälfte der riesigen Fläche wurde abgeholzt, gerodet und vernichtet. Und das auf Kosten von Mensch, Tier und Natur.
Durch Brandrodungen werden die Flächen im Cerrado großflächig industriell landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Große Teile des Cerrados gehen so in Flammen auf. Grund dafür ist vor allem die Sojaproduktion, die völlig außer Kontrolle geraten ist. Angebaut werden neben Soja auch Mais und Baumwolle. Ebenso werden Rinder auf den zerstörten Flächen gehalten.
Das im Cerrado angebaute Soja wird hauptsächlich als Tierfutter verwendet. Auch für Tiere in Europa. Mehr als 16% des Sojas, das nach Europa importiert wird, stammt aus dem Cerrado. Primär wird das Soja hier in Europa in der Schweinemast verfüttert. Somit ist unser Fleischkonsum direkt für die Abholzung des Cerrados mitverantwortlich.
Eine biologisch unbezahlbar wertvolle Savannenvegetation aus Grasland, Sträuchern und Bäumen wird so zerstört. Auch zahlreiche Tiere sterben in den Flammen und verlieren immer mehr an Lebensraum.
5 Arten gelten als Leitarten des Cerrados: Das Gürteltier, der Jaguar, der Mähnenwolf, der Tapir und der Ameisenbär. Sie sind Indikator-Arten – wenn sie zahlreich vorkommen, bedeutet das, dass es auch dem Ökosystem gut geht. Doch die bittere Realität: Tiere wie der Jaguar und der Mähnenwolf sind nahezu aus dem Cerrado verschwunden. Ein alarmierendes Zeichen, wie schlecht es bereits um den Cerrado steht.
Unverantwortlicher Einsatz von Pestiziden
Besonders dramatisch: Über die Felder im Cerrado lassen die großen industriellen Agrarunternehmen Flugzeuge fliegen, die Pestizide versprühen. Auch die Dörfer neben den Feldern und die Gewässer des Cerrados werden durch die Pestizide aus den Flugzeugen getroffen. Die Menschen vor Ort leiden unter gesundheitlichen Folgen: Hautkrankheiten, Vergiftungssymptome und Atemprobleme kommen häufig vor.
Pestizide, die in der EU an sich verboten sind, landen in Europa im Tierfutter. Und die im Cerrado verbliebene Natur wird zusätzlich belastet.
Riesiger Wasser- und Kohlenstoff-Speicher
Auch wenn man es der Savanne nicht auf den ersten Blick ansieht, beherbergt sie einen riesigen Wasserschatz. Doch für die industrielle Landwirtschaft wird das Wasser in großen Mengen aus dem Boden gepumpt und für die Bewässerung der Felder verwendet.
Das Wasser im Cerrado ist tief im Boden gespeichert. Die Bäume haben deshalb ein stark ausgeprägtes Wurzelsystem unter der Erde, zwei Drittel der Biomasse liegt unterirdisch. Dadurch speichert der Cerrado auch extrem viel Kohlenstoff und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Doch die Abholzung, die Brandrodung und das Abpumpen des Wassers machen diese Funktion zunichte und setzen den gespeicherten Kohlenstoff wieder frei. Das hat leider schwerwiegende Folgen für unser Klima.
Schmutzige Tricks und Landraub
Der WWF setzt sich für eine regenerative und biologische Landwirtschaft ein. So können sich auch angrenzende Flächen wieder erholen. Und der WWF unterstützt kleine Betriebe von Landwirt:innen und hilft ihnen dabei, ihre Lebensgrundlage zu erhalten und dem Druck der Großgrundbesitzer:innen standzuhalten.
Denn durch die Ausweitung ihrer Sojafelder können industrielle Agrarunternehmen ihre Produktion und damit ihren Profit erhöhen. Deswegen gibt es einen großen Druck auf die lokale Bevölkerung und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, ihr Land zu verkaufen. Dabei nutzen die Bewohner:innen die Ressourcen des Cerrados schon seit Jahrhunderten – und das in der Regel naturverträglich.
Falls die Menschen ihr Land und ihre Häuser nicht verkaufen wollen, wird es für sie gefährlich. So bekommen sie etwa „Besuch“ von Schlägertrupps oder Betrüger:innen, die angebliche behördliche Papiere vorzeigen, welche die Landbesitzer:innen zum Verkauf verpflichten sollen. So werden die Menschen vor Ort ihrer Lebensgrundlage und ihres oft einzigen Besitzes beraubt.
Weniger Fleisch, mehr Cerrado
Die katastrophale Zerstörung im Cerrado muss dringend gestoppt werden. Die Verantwortung dafür tragen auch wir Konsument:innen in Europa. Jede Person kann dabei helfen, den Cerrado zu schützen: Denn weniger Fleischkonsum und somit weniger benötigtes Soja bedeutet, dass mehr Cerrado bestehen bleiben kann. Konsument:innen sollten Bio-Alternativen wählen. Und Achtung: Nur weil Fleisch zu „100%“ aus Österreich stammt heißt das leider nicht, dass auch das Futtermittel aus Österreich kommt!
Unternehmen wie Supermärkte oder Gastronomiebetriebe müssen stärker darauf achten, dass ihre Lieferketten transparenter werden. Denn woher das Futtermittel für verkauftes Fleisch stammt, ist oft nicht erkennbar. Und selbstverständlich ist auch die Politik gefordert.
EU-Waldschutzgesetz lässt Cerrado im Stich
Im Juni 2023 trat das EU-Waldschutzgesetz in Kraft. Das Gesetz schreibt vor, dass Produkte, die am europäischen Markt landen, zukünftig nicht mehr mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen dürfen. Ein wichtiger Meilenstein – doch leider gibt es einen Haken.
Es wurde verpasst, auch wald-ähnliche Ökosysteme in die Verordnung aufzunehmen. Das sind zum Beispiel Savannen – wozu der Cerrado zählt. So geht seit dem Gesetz zwar die Abholzung im benachbarten Amazonas zurück, doch die Sojaproduktion verlagert sich einfach in den Cerrado. Die Aufnahme der wald-ähnlichen Ökosysteme ist also ein notwendiger Schritt, der unbedingt zeitnah folgen muss!